"In einer halben Stunde bin ich zu Hause!"
-Mein erster 500er-
Der Flug ist zwar schon einige Zeit her, genau gesagt 1 Jahr/6 Monate/ 7 Tage, aber die Erlebnisse werde ich wohl nie vergessen.
Es war der 12. Mai 2008. Ein Rekordtag wie die Flugstatistik am Ende der Saison zeigen wird. Bereits seit 3 Tagen herrschte Hochdruckwetter. Ein Wetter wie bestellt für unser WLG-Pfingstfluglager. Erst gestern machte ich meine erste Inntalquerung.
Ich fühlte mich gut gerüstet, um den lang geplanten Dreieckskurs über Sorgschrofen - Zell am See - Corvatsch in Angriff zu nehmen. Über 500km! Seit dem Winter bin ich am planen. Nun wollte ich die Planung in die Tat umsetzen.
„Meine" LS4 wartet schon aufgebaut vom Vortag vor unserem Vereinscontainer. Nach dem Frühstück in der Runde meiner Familie und den Vereinskameraden fülle ich die Flächen mit 60 Liter Wasser und verstaue die frisch erworbene Sauerstoffanlage. Proviant (Müsliriegel und Karotten) und Trinkwasser nicht vergessen und ab geht die Post.
Erik und Hardi sind bereits wie immer vor mir in der Luft. Mit ausreichend Fahrt schleppt die Alpha Mike die schwere LS4 an das Wertacher Hörnle. Weit und breit nichts von den beiden zu sehen.
-Ausgeklingt- Schon nach 2 Kreise habe ich den Bart zentriert. 2 Meter, das fängt ja gut an. Nach Erreichen von 2300m NN muss ich noch einen Haken zum Sorgschrofen schlagen damit ich meinen gespeicherten Abflugpunkt erreiche. Nicht gerade optimal gewählt als Startpunkt. Ich traue den morgendlichen Thermikansätzen nicht und fliege vorsichtig. Ein bisschen zu vorsichtig, denn das Vorankommen ist zu langsam um mein Tagwerk erfolgreich abzuschließen. Aber nichts überstürzen! Der Tag wird noch einige Überraschungen bereit halten...
Am Thaneller zeigen sich vielversprechende Quellungen und erleichtern die Entscheidung der Lechtalquerung. Der Thaneller löst sein Versprechen ein und schießt mich mit 3m/s auf 3200m. Ich entscheide mich für die Karwendelroute über das Wettersteingebirge in Richtung Achensee. Über Leutasch erwartet mich ein Bart mit 3,5 m/s steigen. Nachdem ich bei 3500m angekommen bin, fliege ich über das Seefelder Tal ins Karwendel. Eine gute Entscheidung. Im Geradeausflug verliere ich nur wenige Meter und kann nach 30 Minuten den Achensee unter mir zurück lassen.
Dann meldet sich Hardi über Funk. Er kommt von seinem Abflugpunkt irgendwo im Lechtal und sei nun endlich am Karwendeleingang. Aha, also nicht weit hinter mir. Ich gebe ihm noch einen Hinweis auf einen 5 Meter Bart der für ihn an der Guffertspitze wartet und bin dann weiter Richtung Kufstein.
Ohne nennenswertes Kreisen ging es bis zum Inntal, westlich von Kufstein. Hier lohnt sich kein Kreis und ich quere mutig das hier schon sehr breite Inntal. An der Südseite mit 2300 m NN angekommen wurde ich am Großen Pölven fündig (Schweißperlen rinnen meine Stirn herunter). Im Vergleich zu gestern zeigt sich das Steigen in den Kitzbühler erheblich intensiver. Am Wilden Kaiser treffe ich den Schweizer Ventus wieder, der mich schon seit Seefeld begleitet.
Der Wilde Kaiser. Immer wenn ich diesen imposanten Berg sehe, muss ich an die Hangflüge am schroffen Fels während meines Alpenstreckenfluglehrgangs in UWÖ denken. Dieses Training hat mich sehr viel sicherer am Hang gemacht.
Hardi meldet sich bereits in Zell. Er muss mich irgendwo überholt haben. Jetzt melden sich auch Erik und Sitte, die weiter östlich nach Niederöblarn unterwegs sind.
Weiter über "Sausteigen" nach Zell. Ja, diesen Berg "Sausteigen" gibt es wirklich. Und meistens bietet er auch ein saumäßiges Steigen.
In Zell angekommen verabschiede ich mich per Funkspruch bei meinen Streckenfluggenossen und nehme Kurs auf den Pass Gerlos.
Es ist 14 Uhr Ortszeit. Der Pinzgauer Spaziergang macht seinem Namen alle Ehre. Auf 45 km brauche ich keinen Kreis um über 3000m zu bleiben. Heute ist wohl alles in der Luft was fliegen kann. Putzlumpen, Starrflügler und natürlich Segelflugzeuge. Das heißt: aufpassen. Die Beobachtung des Luftraums ist hier (und nicht nur hier) absolut überlebenswichtig. Ich muss sagen, das ich mich lieber in Lufträume aufhalte die weniger Thermik bieten als der Pinzgauer, aber sich dafür auch weniger Plastik und Stoff in der Luft befinden. Das Flarm piepst immer wieder und zeigt mir rechtzeitig den entgegenkommenden Verkehr.
Am Gerlos angekommen, bin ich etwas unschlüssig. Soll ich wirklich weiter Richtung Westen in die Stubaier Alpen fliegen oder den bequemen Weg zurück in die Heimat am Zillertal entlang?
Ich bleibe meinem ursprünglichen Plan treu und nehme das Tuxer Joch als nächstes Ziel, zumal die Wolken absolut zuverlässig ausschauen und das Steigen gut ist.
Hier im südlichen Zillertal fühle ich mich schon sehr viel wohler. Kein Fluggerät weit und breit. Aber warum sehe ich überhaupt kein Flugzeug? Bin ich vielleicht zu naiv und in Unkenntnis der Wetterbedingungen unterwegs? Nein - die Wolkenabstände sind zwar größer als im Salzachtal aber das Steigen ist immer noch ausreichend zum Weiterkommen.
An der „Hohen Wand" suche ich nach Steigen, werde aber nicht belohnt. Ich wage den Sprung über den Brenner und finde gleich zufriedenstellendes Steigen unter einer Wolke.
Die Stubaier sind sehr beeindruckend. Ab und zu sieht man einsame Fußstapfen im Schnee dem Gipfel entgegen.
Sterzing zieht links von mir vorbei.
Zum ersten Mal im Vinschgau. Hier, wo ich bisher nur per Auto auf dem Reschenpass unterwegs war, befinde ich mich nun in 3500m NN. Ein tolles Gefühl.
Das breite Tal ist schnell gequert und der Flug zum Bernina ist ein Kinderspiel.
Man gewöhnt sich an das gute Vorankommen. Die Aufmerksamkeit lässt nach und ich mache den ersten Fehler. Im Vertrauen auf gutes Steigen fliege ich östlich des Bernina über den Pass. Aber das Steigen stellt sich nicht ein. Das Vario brummt depremierent und bleibt viel zu lange im negativen Bereich. Der Puls steigt. Ich versuch mein Glück in nördlicher Richtung und finde unzentrierbares minimales Steigen. Immerhin, besser als nichts. Ein Segelflugzeug befindet sich weiter westlich, hat aber auch nicht mehr steigen. Ich suche und suche. Dann werde ich über Pontresina fündig. Endlich wieder über 3500m NN. Beruhigend, denn im Angesicht des Berninamassifs komme ich mir doch sehr klein und viel zu niedrig vor.
Jetzt ist die letzte Wende des Tages erreichbar. Das Flarm piepst nervend als ich die Seilbahn zum Corvatsch 50m überfliege. Hier hängen viele Kabel am Berg. Gute Informationen dazu gibt das Pilotenbriefing vom Flugplatz Samedan. Der Volkslogger quittiert die korrekte Wende und ich quere das Tal auf die Westseite von St. Moriz.
Das Steigen ist nicht so wie erhofft. Dennoch erreiche ich ausreichend Höhe um weiter zu fliegen.
Es ist bereits 17 Uhr und ich habe immer noch 160km bis nach Hause.
Samedan zieht rechts von mir vorbei. Ich will über 3000m bleiben, was mir aber nicht gelingt. Ich versuche Höhe zu gewinnen und quere das Tal, weil ich durch die Sonneneinstrahlung bedingt besseres Steigen am Osthang erhoffe. Doch das Steigen stellt sich nicht ein. Eine riesengroße Wolke hindert die Sonneneinstrahlung. Das darf doch nicht wahr sein.
Ich lasse das Wasser ab. Entweder auf Nummer sicher gehen und zurück nach Samedan oder weiter nach Zernez? In Zernez wäre lt. meiner Karte die nächste Außenlandewiese. Ich entscheide mich aber für den Weiterflug, da weiter nördlich die Bergflanken von der Sonne angestrahlt werden.
Die Wolke hat sich mittlerweile so ausgebreitet, das kein rettendes Bärtchen im Umkreis von 10km zu finden ist. Typisch für diese späte Stunde. Auch mein Hang ist total abgeschattet. Ich sehe die Außenlandewiese, und muss lange überlegen wie ich sie am besten anfliege. Meine Höhe schmilzt auf 2300m.
Denk nach! Ich habe noch genug Höhe um noch etwas zu probieren. Ich grüble und komm zum Schluss, dass die einzige Rettung der Hang nordöstlich von Zernez ist. Hier angekommen werde ich mit einem halben Meter empfangen (Piz Nuna). Dieser halbe Meter schwangt auch noch zwischen steigen und fallen. Jedesmal bei der Kehrtwende verpufft meine mühsam erarbeitete Höhe. Ich kann die Höhe weit unterhalb des Grates einigermaßen halten und gewinne Zeit zum nachdenken. Wenn ich meine Achten weiter Richtung Norden verlagern würde, dann wäre eventuell besseres Steigen zu erwarten. Der Nachteil ist, dass ich mich immer weiter von der rettenden Außenlandewiese in Zernez entferne. Ich taste mich langsam vorwärts und das Vario erhöht den Ton. Was für eine Wohltat. Immer höher wird der Ton. Mein Puls sinkt erst wieder in den Normalbereich, als der Höhenmesser über 3000m NN steigt. Puh - das kostet Nerven. Ohne Sauerstoff hätte ich nach 7 Stunden Flug bestimmt nicht die Konzentration aufgebracht, um diese Situation ohne Außenlandung zu überstehen. Eine Außenlandung in Zernez würde bedeuten, dass die Rückholmannschaft eine sehr lange Anfahrt (ca. 6 Stunden) zu machen hätte. Da wäre ich sicherlich das Gesprächsthema für die ganze Saison....
Positiv denken, du hasst es ja geschafft. Nun geht's weiter Richtung Kempten. Der Volkslogger zeigt einen Kurs von 350° an. Ich halte ungefähr den Kurs und komme gut voran. Ich bin euphorisch. Da meldet sich mein Handy. Andrea ruft an und fragt wie lang es noch dauert. „In einer halben Stunde bin ich zu Hause": sage ich. Kempten liegt im Gleitpfad. Ohne auf den Volkslogger zu achten fliege ich über das Mädelejoch in Richtung Nebelhorn.
--- Moment mal ---
Warum sind die Berge links von mir denn so hoch? Nach 5 Sekunden kommt der Schreck - ich Depp bin nicht im Oberstorfer Tal sondern im Lechtal!!! SCHEI........Ich möchte am liebsten im Sitz meiner LS4 verschwinden.
Viel zu tief bin ich schon gesunken, um direkt nach Kempten zu fliegen. Es ist schon 19 Uhr und die langen Schatten der Lechtaler fangen mich ein. Kein Bärtchen. 10 km vor Reutte grabe ich noch einen halblebigen Bart aus. Nach 10 Minuten fängt es noch an zu regnen. Das hat mir gerade noch gefehlt. Trotz Regen habe ich leichtes Steigen. Der Flugplatz Reutte liegt verlassen unter mir. Die haben sicherlich schon lange wegen des Regens eingepackt. Die Höhe reicht um nach Füssen zu kommen. Also auf nach Füssen. Kurz vor der Landung ruft mich Peter über Handy an wo ich denn nun sei. Da fällt mir ein, dass Andrea mich schon seit einer Stunde in Kempten erwartet! Ich erkläre meine Situation und hoffe auf Verständnis. Ich lande in Füssen um 19:45 Uhr.
2 Flugschüler helfen mir meine LS4 an den Start zu schieben. Der Füssener UL zerrt mich nach Hause.
Über Kempten sehe ich schon meine Vereinskameraden unten beim Modellfliegen. Als sie mich erblicken, werden die Elaporbomber gelandet und ich kann um 20:20 Uhr aufschlagen.
Glücklich empfängt mich Andrea.
Dieser Flug war bisher mein weitester. Seitdem versuche ich diese Aufgabe ohne Zwischenlandung zu wiederholen. Leider bisher ohne Erfolg. Aber ich werde nicht aufgeben.....